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Das war der israelisch-palästinensische Dialog

Am 07.02. besuchten Rotem Levin (35 Jahre) und Osama Eliwat (47 Jahre) von der israelisch-palästinensischen Non-Governmental-Organisation „Combatants for Peace“ das Corvey-Gymnasium, um sich für eine gewaltfreie Beendigung der israelischen Besatzung und eine friedliche Ko-Existenz von Israelis und Palästinensern einzusetzen.

Die Beiden gehören einer Gruppe ehemaliger israelischer Soldaten und palästinensischer Kämpfer an, die Gewalt als Strategie ablehnen und nach Wegen suchen, wie israelische und palästinensische Menschen sich einander begegnen und besser kennen lernen können. Beide betonen, dass unter dem Konflikt auf beiden Seiten Menschen leiden und um ihre Existenz fürchten müssen. Die Angst, die dabei entstehe, mache viele Menschen empfänglich für Gewalt und lasse sie zu Waffen greifen. Deshalb setzen sie sich für ein angstfreies Miteinander ein, für das Überwinden von Trennendem und für Gleichheit und Gerechtigkeit für alle.

Rotem wuchs in der Nähe von Tel Aviv auf und hatte lange Zeit überhaupt keinen Kontakt zu Palästinensern. Seine Vorstellungen von Palästinensern waren geprägt von Vorurteilen, dass sie gewaltbereit sind und nicht davor zurückschrecken, Israelis das Leben zu nehmen. Während seiner Zeit im Militärdienst kamen in ihm erste Zweifel auf, ob seine Vorstellungen vom heldenhaften israelischen Militär und vom Umgang mit den Palästinensern überhaupt stimmen. Inspiriert durch viele Reisen konnte er sich von militärischen Denkmustern lösen und nahm auf einem Begegnungsseminar mit Palästinensern in Deutschland zum ersten mal wahr, dass der scheinbare Feind auch eine Geschichte, eine eigene Realität hat, die ihm bis dahin gänzlich unbekannt war. Von der „Nakba“, der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung im Jahr 1948,  hatte er zuvor nie gehört, denn es ist ein Gebot, dass dieses Geschehen nicht in israelischen Schulen unterrichtet wird. Seine Erfahrungen mit Palästinensern veränderten sein Leben grundlegend. Inzwischen versucht Rotem, das tiefe Misstrauen der Israelis gegenüber den Palästinensern abzubauen und zu überwinden.

Osama kommt aus Jericho und gilt als staatenlos. Seine Sichtweise auf die Israelis war früh geprägt von Gewalterfahrungen und vom Kontakt mit israelischen Soldaten. Mit 14 Jahren kam er für über ein Jahr ins Gefängnis, weil er unerlaubt eine palästinensische Fahne gehisst hatte. Diese Zeit habe ihn sehr verändert, er sei gewalttätig geworden und habe sich später dem palästinensischen Widerstand angeschlossen. Die Abkehr von der Gewalt hätte ihm erst ein ungewolltes Treffen mit Friedensaktivisten ermöglicht. Ein Freund habe ihn dort mit hingenommen, ohne dass er wusste, dass dort auch Israelis sein würden. Obwohl für ihn immer klar gewesen sei, dass er mit Israelis nichts zu tun haben wolle, bekam er nun zum ersten mal mit, dass es auch Israelis gibt, die die Gewalt der jüdischen Siedler verurteilen. Er setzte die Treffen fort, tauschte seine Gedanken aus und schloss Freundschaften mit Israelis. Inzwischen macht er Führungen für Israelis in den palästinensischen Gebiete der West Bank um zu zeigen, was es bedeutet, ohne Rechte und Sicherheit leben zu müssen. Wichtig dabei sei, zu zeigen, dass Diskriminierung und Ausgrenzung die Probleme seien und nicht die Menschen.

Rotem und Osama legen wert darauf, dass wahrgenommen wird, was auf beiden Seiten geschieht und das Trennung und Gewalt durch Freiheit und Frieden abgelöst werden müssen. Dass der Weg dahin kein leichter ist, ist ihnen klar und auch, dass sie auf Hilfe von Außen angewiesen sind. Dennoch sind sie bereit, vieles unterzuordnen und zu opfern, um ihren Zeilen näherzukommen.

Andreas Fischer (Koordinator Demokratieschwerpunkt)

Welche Eindrücke Rotem und Osama bei den Schüler*innen der Oberstufe hinterlassen haben, zeigen folgende Zitate:

„Die Veranstaltung hat mir gezeigt, dass es den unbeteiligten Zivilisten gar nicht darum geht, welche der beiden Parteien im Recht ist, sondern der Frieden und die Sicherheit aller im Vordergrund stehen soll und sich jeder bloß eine sichere Heimat und ein lang erfülltes Leben wünscht.“

„Die oberste Priorität ist, Menschenleben zu retten und miteinander in Kommunikation zu treten, um sich gegenseitig vertrauen zu können.“

„Es ist notwendig, sich öfter mal zurückzunehmen und selbst zu reflektieren, um den Anderen die Möglichkeit zu geben, gehört zu werden.“

„Die Veranstaltung hat mir gezeigt, welche Bedeutung und welches Privileg Gleichheit bedeutet und was passiert, wenn Menschen über lange Zeit hinweg nicht die gleichen Rechte haben: Angst, Frustration, Gewalt!“

„Ich habe gelernt, dass man auch als Einzelperson hier in Deutschland Verantwortung übernehmen kann, um Einigung und Frieden herzustellen.“

„Es hilft nichts, sich Pro-Palästina oder Pro-Israel zu positionieren, da dies nur zu weiteren Konflikten führt. Feuer kann nicht mit Feuer gelöscht werden.“

„Egal auf welcher Seite Kinder oder geliebte Menschen sterben, es gibt keinen Unterschied zwischen palästinensischem oder israelischem Blut, welches vergossen wird, der Schmerz ist derselbe, alle sind Menschen.“

„Rotem und Osama haben mir gezeigt, auch wenn Menschen einen anderen Blickwinkel auf ein Problem haben, ist es möglich, sich zusammenzusetzen und gemeinsam einen Weg zu finden, in Frieden miteinander zu leben.“

(Zitate von Oberstufenschüler*innen aus S2 und S4)