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Das waren die Lokstedter Gespräche 2023!

Krise plagt, Corvey fragt!- eine Retrospektive der Lokstedter Gespräche

Vor genau einem Monat, am 27.02.2023, wurden wieder die Lokstedter Gespräche am Corvey Gymnasium ausgerichtet. Die jährliche Podiumsdiskussion bietet eine Bühne für den direkten Austausch zwischen Bürger*innen und renommierten Hamburger Politiker*innen, sowie Expert*innen und ist prädestiniert für kontroverse Debatten zu aktuellen politischen Fragestellungen.

Ausgearbeitet und realisiert wurde die Veranstaltung von den beiden Profilen „Medien und Gesellschaft“ aus S4, unter der Leitung von Herrn Fischer und Frau Petersen. In der Aula waren unter den rund 250 Besuchern*innen auch viele Gäste aus dem Wohnumfeld der Schule, was für ein großes Interesse am politischen Geschehen im Stadtteil Lokstedt spricht.

Aufgrund des großen Andrangs gab es einen Livestream über Instagram, der sich auch noch nachträglich abrufen lässt und gut angenommen wurde. Christian Folde, Lehrer am Corvey-Gymnasium, lobte: “Die Technik war ziemlich gut.” Dies lässt sich nicht nur über den Livestream, sondern auch über das Corvey-Sound-System sagen, dass die Debatte tatkräftig unterstützte und technisch begleitete.

Vor dem Hintergrund des Russland-Krieges in der Ukraine, der sich einige Tage vor der Veranstaltung, am 24.02. jährte, und angesichts der sich verstärkenden existentiellen Bedrohung durch die Klimakrise, wurde der Fokus der Diskussion auf die Themen Sicherheitspolitik und Nachhaltigkeit gelegt.

Auf dem Podium diskutierten die geladenen Politiker*innen Rosa Domm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE), Dennis Thering (CDU), Dirk Nockemann (AfD), Metin Kaya (DIE LINKE), Alexander Mohrenberg (SPD) und Sonja Jacobsen (FDP) angeregt über die Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine und wie eine nachhaltige Energiewende aussehen sollte. Geladen waren aber auch Expertinnen wie Claudia Meister (Geschäftsführerin Hanseatic Help) und Annika Rittmann (Pressesprecherin Fridays For Future), die durch ihre Expertise  facettenreiches Hintergrundwissen einbringen konnten.

Das Publikum wurde von unseren Moderatoren-Teams Cecilia und Bennet, Max und Ben und Nele und Helena durch den Abend geleitet. Vor der Diskussion der einzelnen Themen wurden als Einstieg 10-minütige Experteninterviews mit Frau Meister und Frau Rittmann geführt, moderiert von Max und Julia.

Zur Sicherheitspolitik stand als zentrale Frage im Raum, wie der Russland-Krieg in der Ukraine beendet werden könnte. Hierbei stellte sich unweigerlich auch die Frage nach der Notwendigkeit von Waffenlieferungen und welche davon denn überhaupt sinnvoll sind, ohne dabei ins Visier der russischen Angriffspolitik zu geraten. Während Metin Kaya, der Fachsprecher für Migration von den Linken, für mehr aktive Friedensbemühungen unter chinesischer Führung plädierte: “Mit Waffen kann man einen Krieg nicht beenden. Die Linke fordert, dass keine Waffen weiterhin geliefert werden, da sie den Krieg hinauszögern.“, vertraten die anderen Parteien mehrheitlich den Konsens, dass so lange Waffen geliefert werden sollten, bis sich Putin vollständig aus der Ukraine zurückzieht.

Im Gespräch mit Claudia Meister über ihre bisherigen Erfahrungen mit Flüchtlingen aus der Ukraine, wurde deutlich, wie groß die Solidarität der deutschen Bevölkerung mit den Opfern des russischen Krieges ist. Hanseatic Help garantiere als Anlaufstelle für Flüchtlinge zwar deren Erstversorgung, bis staatliche Leistungen bezogen werden könnten, es brauche dabei aber insgesamt noch mehr staatliche Unterstützung als bisher.

Bei der Diskussion um den ungleichen Umgang mit Flüchtlingen unterschiedlicher Herkunft wurde die EU-Massenzustrom-Richtlinie hinterfragt, die es ukrainischen Geflüchteten ermöglicht, für 90 Tage ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben. Es stellte sich die Frage, warum die europäische und die deutsche Flüchtlingspolitik gegenüber Flüchtlingen aus Krisengebieten wie Afghanistan, Iran oder Jemen so restriktiv ausgerichtet ist, während ukrainische Flüchtlinge sehr viel offener aufgenommen werden. Auf die Frage, wie die Schüler*innen zu dieser Entwicklung stehen, antwortete Mina (S2): “Ich fand es sehr schlecht, dass bei der Behandlung von Geflüchteten so ein großer Unterschied zwischen der Herkunft gemacht wurde”. Lily G. (ehemalige Moderatorin der Lokstedter Gespräche) ergänzte: “Von der Opposition wurden zwar Sachen kritisiert, was ja auch wichtig ist, aber es gab nicht so richtige Lösungsansätze.” Festzuhalten ist, dass die Meinungen der Parteien hier auseinandergingen, das Grundproblem einer Ungleichbehandlung von Flüchtlingen aber nach wie vor besteht. Trotz aller Kritik hielt Frau Domm von den Grünen positiv fest: „Was für eine Willkommenskultur bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen herrscht.”

Den Themenblock zur nachhaltigen Mobilität und Energiepolitik eröffnete Frau Rittmann (Pressesprecherin für Fridays For Future Hamburg) mit der Bemerkung: “Die Frage ist doch, was können wir uns in einer eskalierenden Klimapolitik noch leisten?” und kritisierte aktuelle bundespolitische Entscheidungen. Bezüglich der Finanzierung von nachhaltigen Innovationen im Energiesektor erwähnte Dennis Thering (CDU) : “Am Ende ist der Klimaschutz unendlich teuer und er muss irgendwie finanziert werden.” Gleichzeitig sprach sich die AfD für “wesentliche Innovationen im Verkehrsbereich“ aus, da diese “CO2 Ausstöße nachhaltig reduzieren können”. Hier forderte Dirk Nockemann (AfD) einen verstärkten Ausbau von Autobahninfrastruktur. Annika Rittmanns Einschätzung zufolge emittiert aber jeder Bau von Autobahnen zusätzlich CO2 und ist damit einfach nur umwelt- und klimaschädlich.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion hatten Schüler*innen die Möglichkeit, mit den Politiker*innen in den Austausch zu gehen und konkrete Fragen loszuwerden. Schließlich wurde in der Fragerunde die Einstellung der FDP zum Tempolimit und deren Befürwortung des Autobahnausbaus von Rosalie hinterfragt, woraufhin Sonja Jacobsen entgegnete, sie selbst sei mit ihrem Fahrrad 30km von Bergedorf zur Podiumsdiskussion gefahren. Abschließend war es ein sehr abwechslungsreicher und gelungener Abend, der “für eine Schulveranstaltung allemal sehr gut war.”, so Christian Folde (Deutsch- und Philosophielehrer am Corvey Gymnasium). Laut Alexander Mohrenberg (SPD) war die “Moderation sehr souverän und die Themen tagespolitisch und abwechslungsreich”. Obwohl “Teile der Politiker*innen direkt auf die Fragen eingegangen sind”, wie Mina aus S2 bemerkt, haben manche „die Fragen einfach übersprungen und sind dann zu anderen Themen übergegangen.” Sich kurz und prägnant zu äußern, ist eben besonders für Politiker*innen eine Herausforderung, wobei sich hier auch Schüler*innen eine Scheibe abschneiden könnten.

Lena und Lina (Medien und Gesellschaft 1, S4)

Im Anhang findet sich auch noch ein Artikel zu den Lokstedter Gesprächen aus dem Niendorfer Wochenblatt.