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Lara und Frieda unterrichten in einer vierten Klasse der Grundschule "Hinter der Lieth"

„LdE -Lernen durch Engagement“ – Gesellschaft bewegen, mitten im Unterricht

Als die Bürgerstiftung Hamburg das Projekt „Lernen durch Engagement“ 2008 aus der Taufe hob, war auch das Gymnasium Corveystrasse schon dabei. Am Corvey wurde damals als erster Hamburger Pilotschule erprobt, wie sich das soziale Engagement junger Menschen mit dem Unterricht in der Schule verbinden lässt.

Dahinter steckt die Überzeugung, dass bürgerliches Engagement eine Gesellschaft besser und gerechter macht und dass alle nach ihren Kräften etwas dazu beitragen können. Wer sich früh engagiert, bleibt oft auch weiter aktiv und aus Kindern und Jugendlichen werden Erwachsene, die bereit sind, eben nicht nur in Familie und Beruf Verantwortung zu übernehmen, sondern auch für unser Gemeinwesen und für unsere Demokratie.

Lernen-durch-Engagement ist Demokratie-Lernen und lebt von der Mitbestimmung. Schüler*innen entwickeln im Rahmen des Unterrichts ihre eigenen Engagementideen und werden darin unterstützt, Projektideen weitgehend eigenständig umzusetzen. Durch ihre Projekte lernen Kinder und Jugendliche neue Perspektiven, Menschen, Lebenswelten und Berufsbilder kennen. Bei der Projektarbeit können in der Schule gerade auch solche Fähigkeiten entdeckt werden, die im normalen Unterricht weniger zum Tragen kommen, zum Beispiel Empathie, Tatkraft, Mut auf Menschen zuzugehen und sich auf andere Milieus, Generationen und Denkweisen einzulassen.

Mittlerweile ist das Programm „Lernen durch Engagement“ an mehr als 20 Schulen in Hamburg verankert und jedes Schuljahr starten durchschnittlich ca. 800 Kinder und Jugendliche mit Ihren Engagementideen: Sie helfen Obdachlosen und Geflüchteten, lesen in Kitas vor oder besuchen Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern, sie engagieren sich für die Reduzierung von Plastik in ihren Mensen, pflanzen Bäume oder unterstützen das Bezirksamt bei der Stadtplanung.

Im Schuljahr 2020/2021 nahmen auch die Schüler*innen des Profils „Medien und Gesellschaft“ teil. Im Seminarfach entwickelten die Schüler*innen in Arbeitsgruppen über den Zeitraum eines halben Jahres Konzepte für soziales Engagement im Stadtteil Lokstedt. Die Schüler*innen mussten sich für ihr Engagement einen Kooperationspartner suchen und erst einmal herausbekommen, wer Hilfe braucht und in welcher Form?

Nicht immer waren die Ideen durchführbar, insbesondere dann, wenn etwas im öffentlichen Raum verändert werden sollte und das Bezirksamt enge Vorgaben machte, so zum Beispiel bei der Idee zum Bau eines Parkour-Parks in der Nähe des Vereinsgeländes von Grün-Weiss-Eimsbüttel. Bei der Projektentwicklung war es deshalb sehr wichtig, seine Ideen auch umwerfen zu können und neu zu denken.

Heraus kamen vier Projekte, bei denen die Flüchtlingshilfe, der Abbau von Vorurteilen und der Gewässerschutz im Vordergrund standen.

Die Arbeitsgruppe mit Linda, Ella, Lara und Frieda beschäftigte sich mit dem Thema „Genderrollen“ und führte dazu für mehrere Klassen des vierten Jahrgangs der Grundschule Hinter-der-Lieth Workshops durch. Zur Vorbereitung der Workshops arbeiteten die Schülerinnen mit den Frauenorganisationen „Pink stinks“, „BAG FORSA“ und „Terre des Femmes“ zusammen. Unter dem Projektnamen „Break it till we make it“ wurden mit den Kindern Geschlechterrollen besprochen, Rollenspiele durchgeführt und reflektiert, wie man als Teenager sein will.

Vivian, Carlo, Leo und Luca boten mit ihrem Projekt „Learning on track“ geflüchteten Kindern und Jugendlichen eine Unterrichtsnachhilfe an. Die Idee dazu kam Leo, als er ein Zitat des Syrers Karim in der „Hinz&Kunzt“ las: „Aber wir müssen die Sprache lernen, die Sprache ist der Schlüssel zu allem.“ Nach mehreren Anläufen gelang dann mit dem 34 Jahre alten Afghanen Homayoon Pardis vom Verein „m_Power Frame“ eine Kooperation. Gemeinsam mit Herrn Pardis und Anne Busch vom Bürgerhaus Eidelstedt wurden interessierte Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsunterkünften gesucht, die in Deutsch, Mathe, Englisch und beim Arbeiten mit dem Computer Hilfe brauchen. Immer sonntags gaben Vivian, Carlo, Leo und Luca in Eidelstedt Nachhilfe und übergaben zum Ende des Schulhalbjahres ihr Projekt in die Hände anderer Helfer.

Beim Projekt „Moin Moin Hamburg“ organisierten Laura, Marleen, Jovana und Annika zusammen mit Anne Thaker von der Flüchtlingsinitiative „Herzliches Lokstedt“ gemeinsame Treffen mit Mädchen aus der Flüchtlingsunterkunft am Alma-Ohlmann-Weg. Frau Tahker betonte: „Die Kinder brauchen einen richtigen Einblick in das Leben eines normalen Jugendlichen in Deutschland.“ Aufgrund der Corona-Bedingungen waren die Möglichkeiten, etwas gemeinsam zu unternehmen, leider sehr eingeschränkt. Dennoch gab es zwei Nachmittage, an denen man sich in den Räumen des Corveys traf, um miteinander Filme zu schauen, über seine Hobbys zu sprechen und zu spielen.

Hatten Lucky, Leander, Kolja und Leon am Anfang noch die Idee zum Bau eines Parkour-Parks gehabt, orientierten sie sich später um und wollten sich vor dem Hintergrund der aktuellen Klima- und Umweltdebatte mit dem Gewässerschutz beschäftigen. Ziel war es, sich in Kooperation mit dem Zentrum für Schulbiologie und Umwelterziehung (ZSU) das nötige Know-How zu verschaffen, um die Wasserqualität der Gewässer im Stadtteil Lokstedt zu ermitteln, einen Film darüber zu drehen und ihn als Lehrmaterial für die Hamburger Schulen zur Verfügung zu stellen. Ob Sauerstoff, Mikroplastik oder Algenanteile, unter dem Namen „Tatort Tarpenbek“ sollte die Gewässerverschmutzung im Wohnumfeld auf den Prüfstand gestellt werden.

Dass Engagement sich lohnt, zeigt die Schüleraussage aus einer anonymen Umfrage im Profilkurs: „Besonders gut hat mir gefallen, dass die Umsetzung einen anderen Blick auf die theoretische Erarbeitung des Projekts geworfen hat. Zu sehen, dass das eigene Engagement dankend angenommen wird, von Leuten die dieses wirklich benötigen, das hat mir Leichtigkeit und Willen gegeben, um das Projekt durchzuführen.“

Andreas Fischer (Profilleitung „Medien und Gesellschaft“ S4)