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Zweitzeugen Theater

Nie wieder ist jetzt – Ein Theaterprojekt rund um das Zweitzeugenprojekt

Von Julia Schilling

Im Rahmen des Zweitzeugenprojekts 2024/2025 am Gymnasium Corveystraße haben es sich die neunten und zehnten Klassen zur Aufgabe gemacht, sich im Theaterunterricht kreativ mit den Biografien von Holocaust-Überlebenden auseinanderzusetzen. Dabei ist ein beeindruckendes Theaterprojekt unter dem Titel „Nie wieder ist jetzt“ entstanden.

Die Veranstaltung begann mit einer musikunterlegten Lichtshow, zu der sich die über 40 Schüler*innen wie in Zeitlupe bewegten. Recht schnell bildeten sich aus dem Pulk zwei Lager heraus, deren Status nicht unterschiedlicher sein könnte. Während die einen Machtpositionen annahmen, fielen die anderen in der Rolle der Unterdrückten nach und nach zu Boden. Doch sie sollten nicht sprachlos bleiben. Nacheinander standen sie entschlossen wieder auf, um die Performance in einem gemeinsamen chorischen Part zum Höhepunkt zu führen. Den Blick geradeaus ins Publikum gerichtet zitierten sie den Holocaust-Überlebenden Rolf Abrahamsohn (1925-2021) in vielfältiger Weise, sodass sich der dabei entstandene Klangteppich bedrohlich über den Zuschauerraum legte.

Die Grenzen waren schon zu.
Wir sind im November 1942
Nach Auschwitz gekommen.
Wissen Sie, das Schlimmste
an der ganzen Geschichte ist ja,
wenn ich nachts mal wach werde.
Das passiert oft.
Dann denke ich nur über diesen Scheiß nach.
Und wenn ich nicht schlafen kann,
da setz ich mich hin
und knüpf‘ Teppiche
Nur um was zu machen.
Das ganze Haus ist voller Teppiche.
Wenn du nur einen überzeugst,
dass die Demokratie besser ist,
dass wir Juden nicht
schlechter oder besser sind als die anderen
dann haben wir viel erreicht.

Im Anschluss an diese eindrucksvolle Performance luden die Schauspieler*innen dazu ein, ihnen aus der Aula ins Oberstufengebäude zu folgen, wo sich ein beklemmendes Stationentheater zum Thema „Antisemitismus gestern und heute“ anschloss.

Die Themen der einzelnen Stationen ergaben sich aus der intensiven Beschäftigung mit den Biografien verschiedener Holocaust-Überlebender. Die Schüler*innen hatten es sich zur Aufgabe gemacht, den darin geschilderten Antisemitismus in eigenen Theatertexten zu verarbeiten. Während einzelne Stationen zeitlich im Nationalsozialismus verankert waren, stellten andere die Frage nach heutigen Formen von (antisemitischer) Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz. Um die allgegenwärtige Bedrohung für Jüdinnen und Juden zu veranschaulichen, wurde fast gänzlich auf Theatermittel wie Requisiten, Licht und Musik verzichtet. Stattdessen untermalte die alltäglich anmutende Klassenzimmeratmosphäre die unmittelbare Gefahr, jederzeit selbst Opfer von Hass und Hetze werden zu können.

Ein Spalier aus schwarzgekleideten Schüler*innen führte die Zuschauer *innen von einer Station zur anderen. Das Publikum wurde dabei auf den Schulgängen an Schauspieler*innen mit Neutralmaske vorbeigeleitet, die die Lebensdaten von Holocaust-Opfern auf einem Schild um den Hals trugen.

Unter der Leitung von Herrn Karl (für Jahrgang 9) und Frau Meineken (für Jahrgang 10) wurde das Theaterprojekt am Abend der Künste, den 12.06.2025, aufgeführt. Dass die Leidtragenden von Antisemitismus damals und heute niemals in Vergessenheit geraten dürfen, zeigte das Theaterprojekt eindringlich.