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Wenn Geschichte erfahrbar wird

Lesung und Konzert mit Esther Bejarano

Am Dienstag dem 7. November gab es in der Corvey-Aula ein ganz besonderes Konzert. Esther Bejarano, 92 Jahre alt, las in unserer Aula vor großem Publikum aus ihrem Buch „Erinnerungen“. Die deutsch-jüdische Musikerin Esther Bejarano ist eine der wenigen Menschen, die das Vernichtungslager Auschwitz überlebt haben und heute noch am Leben sind und darüber berichten können – und wollen. Möglich gemacht hatte diese außergewöhnliche Veranstaltung  der Schulverein auf Initiative des Elternrats.

Nach der ca. 40-minütigen Lesung begann der musikalische Teil. Esther Bejarano tritt heute zusammen mit ihrem Sohn Joram und dem Kölner Musiker Kutlu Yurtseven von der Gruppe Microphone Mafia auf. Gemeinsam trugen sie ein Programm aus verfremdeten, mit Rap-Rhythmen unterlegten Liedern in verschiedenen Sprachen vor. Darunter waren traditionelle Lieder in jiddischer Sprache, Lieder aus dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten und aus der internationalen Arbeiterbewegung. Die Botschaften: Widerstand gegen jede Art von altem und neuem Faschismus, und „Nie wieder Krieg“.

Foto: K. Köninger-Werner

Das Publikum aus Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ging begeistert mit; viele umringten Frau Bejarano nach dem Konzert, um sich ihr Buch oder eine CD mit den Liedern signieren zu lassen.   Das Abendjournal bei NDR 90,3 hat uns freundlicherweise den Beitrag von Andreas Gaertner über diese Lesung / dieses Konzert zur Verfügung gestellt; der Beitrag kann hier angehört oder im Format mp3 unten auf dieser Seite heruntergeladen werden.

Bereits am Montag dem 30. Oktober hatte Esther Bejarano unsere Schule besucht, um den Schülerinnen und Schülern der 10. Klassen von ihrem Leben zu erzählen, besonders von den Jahren 1942-1945.

Zu Beginn der Veranstaltung liest Frau Bejarano aus ihrer Biografie „Erinnerungen“. Die gebannt lauschenden Zuhörer erfahren von Deportation und Transport in Viehwaggons, der Ankunft im Lager („Ich bekam die Nummer 41948 – Namen wurden nämlich abgeschafft“), vom „Leben“ im Vernichtungslager Auschwitz. Obwohl viele Details bekannt sind aus Spielfilmen, Dokus und Geschichtsbüchern, ist es doch etwas völlig anderes, die unfassbaren Geschehnisse von einem Menschen berichtet zu kommen, der tatsächlich dabei war.

„Die Gefühle können in keinem Buch und keinem Film so wiedergegeben werden. Dieser Frau zuzuhören, sie anzusehen und zu wissen, das was sie uns gerade erzählt, hat sie selber genau so erlebt, das hat sich mir in den Kopf gebrannt“ (Jonas)

Esther Bejarano überlebt als Mitglied des „Mädchenorchesters“ von Auschwitz. Noch stiller wird es im Raum, als die Zeitzeugin erzählt, wie das Orchester an der berüchtigten Rampe in Auschwitz munter aufspielen musste – damit die neu ankommenden Gefangenen nicht in Panik ausbrechen, denn wo Musik spiele, das könne ja kein schlimmer Ort sein. „Schrecklich fand ich, wie sie die neuen Leute im KZ empfangen musste, weil das ein enormer Druck gewesen sein muss, da sie genau wusste, dass allen ein grausamer Tod bevorstand.“ (Irem)

Später wurde Frau Bejarano, als „Viertel-Arierin“ ins Arbeitslager Ravensbrück verlegt, dort verrichtete sie Zwangsarbeit für eine deutsche Firma. Der Name „Siemens“ lässt die die Schüler aufhorchen. Von Flucht und Kriegsende berichtet Frau Bejarano, immer wieder scheint ihr herzerwärmender lakonischer Humor durch, zum Beispiel, als sie von der Rettung durch US amerikanische Soldaten berichtet, die sie und ihre Freundinnen freudig begrüßten, „obwohl wir ja nicht gerade gut aussahen zu dem Zeitpunkt.“

Geduldig und konzentriert beantwortet Esther Bejarano anschießend die zahlreichen Fragen der Zehntklässler. „Was ist aus dem Akkordeon geworden, das Ihnen der GI schenkte?“ „Haben Sie die Tätowierung noch?“  „Wie verlief Ihre Kindheit?“ „Wie leben Sie heute?“

Eine Frage, die sich viele Schülerinnen und Schüler stellten war, „Was hat Ihnen Hoffnung gegeben?“ „Mein Drang zum Leben“, antwortet Frau Bejarano, „und außerdem wollte ich mich irgendwann an den Nazis rächen. Und dass ich euch jetzt von dieser Zeit erzählen kann, das ist meine Rache!“

Herr Krümel sprach allen aus dem Herzen, als er zum Abschluss Frau Bejarano für ihre Rache dankte.

„Ich finde es beeindruckend, was Frau Bejarano uns erzählt hat, besonders dass sie den Mut gefunden hat, von diesen schrecklichen Ereignissen zu erzählen und dass sie während ihrer Gefangenschaft nicht aufgegeben hat, sondern sich immer gesagt hat, ‚Ich will leben‘!“ (Emily)

Beitrag Abendjournal bei NDR 90,3 (Andreas Gaertner)